Ein Wassertropfen fällt mir von der Kapuze auf die Nasenspitze. Es ist nicht der erste heute und es werden noch viele folgen. Meine Hände sind klamm, die Fingerspitzen unbeweglich. Der Regen trommelt auf den Waldboden, der Wind rauscht in den Bäumen. Mitten zwischen Sträuchern habe ich mein Ziel erspäht: ein Wildschwein. Ich postiere mich am Pflock, schätze die Entfernung ab, wische meine Hände an der Hose trocken und spanne meinen Bogen. Einatmen, fokussieren, lösen. Kill.
Dass bei meinem ersten Ausflug in einen 3D-Parcours das Wetter so unglaublich schlecht ist, könnte mich ärgern, tut es aber nicht. Erstens, weil außer unserer Vierergruppe fast niemand unterwegs ist und wir uns so viel Zeit nehmen können, wie wir brauchen. Zweitens, weil das Naturerlebnis so noch viel intensiver ist. Der Parcours auf dem Archers Hill in Bantorf ist anspruchsvoll, denn die Ziele sind schon für das Turnier ein paar Tage später gestellt. Im Wald zu schießen, mit immer wieder unterschiedlichen Entfernungen, Tiergrößen, vorbei an Hindernissen wie Blattwerk, über kleine Hügel oder Täler hinweg, ist etwas komplett anderes als auf dem Trainingsgelände. Schorse führt Oliver, Harry und mich erst von einem Ziel zum anderen, dann müssen wir den Weg allein finden. Außerdem fragt er uns immer wieder: Wie weit ist das Ziel wohl weg? Was denkst du, wie weit ging der Schuss daneben? Das hilft uns sehr, uns auf jedes Ziel neu einzustellen. Und ein Lerneffekt ist auf jeden Fall zu spüren. Ich treffe oft mit dem dritten Pfeil, nachdem ich erst zu niedrig ziele und dann überkorrigiere.
Als nach etwa zwei Stunden Dauerregen und Hagel die Stimmung kurzzeitig im Keller ist, machen wir eine Pause. Essen, etwas Warmes trinken, dann geht es weiter. Und jetzt scheint sogar ein bisschen die Sonne. Nach 4 ½ Stunden sind wir durch und ich bin mit meinem Ergebnis durchaus zufrieden: 310 von 600 möglichen Punkten, alle Pfeile noch ganz.
Und eins weiß ich: das mache ich jetzt öfters.
Julia